Die Festungsbahn
Bei der Entscheidung für den Aufbau der Selzstellung von Anfang an klar, dass die Festungslinie durch eine Eisenbahn erschlossen und das neue Schienennetz in die vorhandene Mainzer Infrastruktur eingebunden werden musste. Vor diesem Hintergrund berichtete die Mainzer Zeitung am 7. Dezember 1908 über ein Ereignis, das für Rheinhessen sehr bedeutsam war: Dem Bau einer neuen Eisenbahn im Halbkreis von Rhein zu Rhein. In der Zeitungsmeldung war zu lesen: "Das Königliche Gouvernement Mainz beabsichtigt die Anlage einer Feldbahn für Armierungszwecke und hat bei dem Großherzoglichen Ministerium der Finanzen zunächst um die landespolizeiliche Genehmigung der sogenannten Ringlinie mit dem Anschluss derselben an den Staatsbahnhof Marienborn und für das Verbindungsstück Franzosendell – Kesselthal nachgesucht. Die Ringlinie beginnt bei km 0,0 auf dem Rabenkopf westlich Wackernheim, führt von km 0,0 bis km 0,938 und von km 1,040 bis km 3,608 durch die Gemarkung Wackernheim, von km 0,938 bis km 1,040 durch die Gemarkung Nieder-Ingelheim und von km 3,608 bis km 14,662 durch die Gemarkung Essenheim, Ober-Olm, Klein-Winternheim und Ebersheim des Kreises Mainz."
Der Startschuss für den Bau der Bahn war damit gegeben. Im Endausbau verfügte die Festungsbahn über insgesamt vier Streckenabschnitte: Die Ringlinie, die Linien I und II sowie eine Zahnradbahn auf den Westerberg in Ingelheim.
Eine wichtige Bedeutung für die Infrastruktur der Selzstellung hatten die sogenannten Nebenbahnen. So gab es die Bahnstrecke Bodenheim–Alzey, im Volksmund auch »Amiche« genannt. Angeschlossen hieran waren beispielsweise die Dörfer Gau-Bischofsheim, Mommenheim oder Hahnheim. Daneben wurden viele rheinhessische Ortschaften noch durch das »Valtinsche«, das »Bawettsche« oder das »Zuckerlottche« verbunden. Diese Bahnen waren ab 1914 für die Militärs wichtig, da über diese Eisenbahnverbindungen ab August mehrere Zehntausend Soldaten für die Armierungsarbeiten schnell zu den Ortschaften entlang der Selzstellung transportiert werden konnten. Diese »Selztalbahnen« dürfen nicht mit der Festungsbahn der Selzstellung verwechselt werden. Die von Teilen der Bevölkerung als »Preußebähnche« bezeichnete Festungsbahn war nicht auf den öffentlichen Personenverkehr ausgerichtet.
Wichtigste Aufgabe der Festungsbahn war es, die Baustoffe für die Armierungsbauten herbeizuschaffen sowie für den Transport von Munition und Verpflegung zu sorgen.
Die Festungsbahn hatte im Endausbau eine Gesamtlänge von knapp 49 km. Diese von der Militärverwaltung gebauten Strecken unterteilten sich wie folgt:
- 40 km lang waren die mit der 60-cm-Spur gebauten Strecken der Ringlinie und der Linie II. Das Schienenprofil dieser Strecken war 8 cm hoch.
- 6,2 km lang waren die mit der 100-cm-Spur gebauten Strecken zwischen Wackernheim und Finthen sowie vor dem Fort Gonsenheim. Das Schienenprofil dieser Strecken war 115 mm hoch.
- 2,5 km lang war die Strecke der Zahnradbahn auf den Westerberg.
Die Linien der Festungsbahn verfügten über jeweils eine Spur. Es mussten deshalb Ausweichstellen für den Fall gebaut werden, dass sich zwei Lokomotiven begegneten. Insgesamt gab es mehr als zwanzig Ausweichstellen entlang der Strecken.
Mit Ausnahme der Zahnradbahn waren die Linien der Festungsbahn miteinander verbunden und stellten ein zusammenhängendes Netz dar. Das gesamte Festungsbahnnetz einschließlich der Zahnradbahn in Ingelheim war verknüpft mit den Linien der Hessischen Ludwigsbahn, der Mainzer Straßen- und Dampfbahn und den Staatsbahnen.